Lawrence Lessig im Interview auf netzpolitik.org:
Meiner Ansicht nach war „nichtkommerziell“ (weniger im geschriebenen Sinn der Lizenz als im umgangssprachlichen Verständnis) ein Platzhalter für eine bestimmte kulturelle Übereinkunft, die besagt: Ich stelle dir etwas zur Verfügung und es ist völlig okay, wenn du dich daran bedienst. Aber es ist absolut nicht okay, wenn du die Früchte meiner Arbeit nimmst, um sie sonst jemandem zu verkaufen. Okay, so würde das niemand ausdrücken; es gibt einfach kein simples Wort dafür, um diese Grenzlinie zu beschreiben, zumal die Linie je nach Kontext ja auch immer anders verlaufen kann. Jedenfalls finde ich es völlig nachvollziehbar, dass du zum Beispiel eine CD mit einer Menge frei lizenzierter Musik unter nichtkommerzieller Lizenz und mit Weitergabe unter gleichen Bedingungen (Anm. CC-Lizenzelemente NC, SA) rausbringen würdest. Denn die Idee, dass Sony daraus einen Filmsoundtrack machen und damit Geld scheffeln könnte – klar, ich verstehe vollkommen, wenn jemand sagt, er will das nicht.
Ich selbst lizenziere meine Arbeiten ja komplett frei; ich wäre happy, wenn jemand meinen Kram nehmen und daraus einen Film machen würde (lacht). Aber ich denke nicht, dass jemand die schlechtere Kreative ist oder weniger der Idee Freier Kultur verpflichtet, wenn sie sagt, „wenn jemand von meiner Arbeit profitieren will, sollte er zuerst mit mir darüber reden“. Ich wünschte, wir könnten die Grenze zwischen dieser kulturellen Übereinkunft und der jeweils angemessenen kommerziellen Interaktion klarer bestimmen. Und wir grübeln ja immer noch über Methoden, wie wir die Grenzbestimmung vereinfachen können. Aber ich bleibe bei meiner Überzeugung, dass es diese Trennung gibt und dass sich Menschen ausgenutzt fühlen würden, wenn sie ihre Arbeit verfügbar machen und daraus Dritten die Möglichkeit erwächst, Geld zu verdienen, ohne dass davon etwas beim ursprünglichen Urheber ankommt.
Die Abgrenzungsprobleme bei „nichtkommerziell“ (NC) gehören auch weiterhin zu den größten Herausforderungen von Creative Commons.
nk says
Ich verstehe das Geheule darum irgendwie nicht. CC erlaubt doch trotzdem eine abweiche Nutzung zu lizensieren. Dann soll derjenige halt fragen, ob er ne Ausnahme bekommt?! *Schulterzuck*
Volker Berlin says
Die Probleme mit der Definition des Begriffs „nichtkommerziell“ sind m.E. nach wie vor die größte Schwäche der CC Lizenzen. Eine Abgrenzung und Klärung durch die Rechtsprechung wäre vermutlich wenig hilfreich, da sie zu einer kaum überschaubaren Kasuistik führen würde. Zudem wäre dieser Weg mit Aufwand und Kostenrisiken behaftet, die der durchschnittliche CC Nutzer eher scheuen dürfte. Lessings Ansatz, diese Definition nicht allein Juristen zu überlassen, sondern sie in einer öffentlichen Debatte zwischen Urhebern, Verwertern und Nutzern zu erarbeiten, ist zukunftsweisend. Und zwar nicht nur in dieser speziellen Frage, sondern für eine Rekonfiguration des Urheberrechts insgesamt. Letztlich muss es darum gehen, dass sich die gesetzlichen Regelungen dem „common sense“ erschließen – ansonsten sind sie schlicht in der der Breite unpraktikabel. Das Urheberrecht muss die durch das Netz veränderte Nutzerwelt berücksichtigen, wenn es nicht an einem Akzeptanzmangel scheitern will.
Übrigens gab es ganz ohne CC bereits in den 80er Jahren in der C64 und Amiga Demoszene schon einmal fast genau das, was Lessing einfordert. Damals empfanden es viele Demoproduzenten als falsch, dass „Public Domain Dealer“ ihre Produktionen sammelten und an Dritte die Dienstleistung des Kopierens verkauften. Die Verteilung sollte nach Vorstellung der Produzenten gerade komplett „nichtkommerziell“ erfolgen; in der Demoszene bestand darüber eine allgemeine Übereinkunft. Dies führte schließlich dazu, dass den Demos „copyright notices“ vorangestellt wurden, in denen es hieß „You’re free to copy, spread and publically show this production as long as no money changes hand.“ – sicherlich könnte man an der Formulierung noch feilen, aber der Geist entspricht genau dem, was Lessing sagt.