Markus in einem lesenswerten Artikel auf seinem Blog:
Mir fällt schon seit einiger Zeit auf, dass die blogosphärische Resonanz auf neue Tools am Abnehmen ist. [..]
Es gibt keine Blogger mehr, die jenseits einer Verkündung neue Tools ausprobieren, mit ihnen herumspielen, und dann darüber schreiben.
Ein Faktor ist sicher, dass sich die Kommunikation / die Berichterstattung von gerade entdeckt’s in Richtung Twitter oder FriendFeed verschoben hat, und das ist auch völlig ok so
und dann:
Ich glaub nicht, dass Twitter & Co. deshalb und dadurch eine Verdünnung des Diskures fördern. (ein kleines problem, bzw. kein problem, aber eine verschiebung der milieus, hier ist, dass microblogging / lifestreaming keinen diachronen wert hat; was nicht sofort aufgegriffen wird ist eine stunde später in die unauffindbarkeit weitergespült.)
Ich beobachte Ähnliches und ich sehe das, besonders für den deutschsprachigen Raum, seit einiger Zeit mit zunehmender Besorgnis. Hier nicht nur in Bezug auf die Techtool-Reviews, die nie eine Stärke der hiesigen Blogger war, sondern der allgemein niedrigen Diskursintensität (an der auch zum Beispiel Rivva zu knabbern hat, weil es viel zu oft kaum Beiträge und Links aus D-A-CH zum Auswerten findet, und dann mit englischsprachigen Beiträgen die Lücken füllt).
Tatsächlich ist das nämlich meiner Meinung nach kein kleines, sondern ein mittlerweile großes Problem.
Warum?
Twitter, Friendfeed und co. (wie etwa andere soziale Einrichtungen wie die News- und Statusfeeds von Facebook, MySpace etc.) skalieren nicht.
Bei aller Begeisterung Blogs gegenüber als Dialogmedium, sind sie doch in Wahrheit sehr viel mehr Sendemedium als die meisten anderen sozialen neuen Medien im Netz. Twitter ist sehr viel mehr 1:1 als ein Blog, wo es hier den Autoren und dort die Leser des Blogs gibt.
Es gibt auch heute noch keine effizientere Möglichkeit, Informationen zu konsumieren und damit Diskurse zu konsumieren oder potentiell an ihnen teilnehmen zu können, als Blogs in Verbindung mit Feedreadern. Ich kann gewichten, kategorisieren, und für Fortgeschrittene die Informationen gar filtern und durch Mashups ziehen. friendfeed kommt dieser Effizienz mit einem zusätzlichen, sehr personalisierbarem Layer an aggregierten Empfehlungen (‚Likes‘) bereits nahe, ist damit aber vor allem effizientes Konsum- und Distributionstool (Also mehr ein Ersatz für Feedreader, denn für Blogs.)
Besonders mit Twitter geht fast gar nichts davon. Die Folge: Während ich über 1000 Feeds in diversen Readern lese, scanne und überwache, folge ich gerade einmal 286 Leuten auf Twitter (man findet mich auf Twitter hier). Weil sehr viel mehr für mich persönlich nicht managbar ist. Und selbst da springe ich in den River of Banalitäten, Gesprächen, News und Tidbits nur ab und an rein und versuche mich natürlich nicht an einem vollständigen Konsum. Twitters Reiz liegt in seiner Einfachheit. Die bringt aber auch eine stark einschränkende Inflexibilität mit sich.
Das ist eine sehr andere Form des Netz-Gespräches als Blogs, die hiervon nicht ersetzt werden können.
Twitter, Friendfeed und co. sind eher komplimentär zur Blogosphäre, wie etwa yigg/digg zur Blogwelt. Sie leben zu einem sehr großen Teil von Verweisen auf Blogs und die MSM. Wer das Zeug zum Blogger hat, sich aber komplett auf diese Dienste zurückzuzieht, gibt damit auch einen Gutteil potentieller Einflussnahme auf.
Es mag den wenigsten bewusst sein, aber Blogs sind bei weitem mehr Mainstream als etwa Twitter. Wollen wir – also die, welche die neuen digitalen Medien nutzen -, dass diese auch ihren Weg in den Mainstream finden, dann müssen wir dem interessierten Rest der Bevölkerung beim Verstehen und Lernen helfen. Das schaffen wir nicht, indem wir nur untereinander Insiderwitze auf Twitter austauschen. Das schaffen wir nur über Blogs.
Einige Teile der deutschen Blogosphäre haben sich teilweise völlig auf Twitter zurückgezogen. Bei aller Zuneigung diesem Dienst und seinen Verwandten gegenüber: Das war ein Verlust für das deutsche partizipatorische Web.
P.S.: Die letzte Krise, ausgelöst durch das Platzen der New-Economy-Blase, hat Blogs einen erheblichen Schub verliehen. Wir sitzen zur Zeit wieder bekanntermassen in einem ganzen Haufen an Krisen, der durch Entlassungen wieder viel Freizeit und freie Energie erzeugt. Mal sehen, wo die hinfliesst. Vielleicht gibt es bald sehr viele motivierte Neueinsteiger mit viel Zeit. Genug Platz in der deutschen Blogosphäre ist auf jeden Fall vorhanden.
FFD says
Volle Zustimmung! Der Twitter-Diskurs hat enorme Flüchtigkeit. Diskutiert, vergessen. Wohingegen die Blogosphäre ein immer wachsendes Informationsreservoir aufbaut, wunderbar recherchierbar, und die Diskussionsfäden können jederzeit wieder aufgenommen werden.
Auch Rivva leidet irgendwie an einem Flüchtigkeitsphänomen. Ich weiß nicht, was Rivva als Betrachtungszeitraum verwendet, schätze mal 1-2 Tage max. Es wäre schön, wenn Rivva auch langfristigere Diskurse identifizieren würde. Gerade die guten Analysen sind nicht die, die innerhalb von ein paar Stunden auf die Heise- oder Spiegelmeldung folgen.
marcel weiss says
Ja, 1-2 Tage Betrachtungszeitraum bei Rivva dürfte hinkommen. Viele deutsche Blogger sind aber langsamer als das.
Schwieriges Problem für Frank. Weil du mit der Erweiterung des Betrachtungszeiraums an der Aktualität von Rivva sägst und das ganze am Ende gar weniger dynamisch machst (weil sich bestimmte Themen länger oben halten könnten evtl.).
marcel weiss says
(Wobei gute Analysen ja selbst wieder verlinkt werden und damit zu neuen Diskursknoten auf Rivva werden. Aber das Grundproblem bleibt bestehen, stimmt.)
frankwestphal says
nur kurz, da gerade zurück vom Barcamp + hundemüde:
Rivva ist vollkommen im Hintern, weil unangepasst an die Strömungsveränderungen der jüngsten Monate. Ziehe daher zurück auf Los …
Horst D. Deckert says
Ich ein etwas älterer Blogger und nicht so fit wie die Profis. Deshalb bitte ich um Verbesserungsvorschläge, falls ich etwas nicht ganz kapiert habe:
Bin seit einem Monat auf Twitter: http://twitter.com/strategie Nichts funktioniert schneller.
Und ich nutze Twitter, um alles, was für meine Kunden und followers interessant sein könnte, so schnell wie möglich zu publizieren. Auch poste ich, wenn ich auf meinem Blog einen ausführlicheren Tipp geschrieben habe.
Ich blogge seit 3.1.1999 – siehe http://tipp-der-woche.de
Alles, was ich auf Twitter veröffentliche, erscheint auf meiner Webseite http://www.strategie.com, was diese für User wesentlich attraktiver macht, weil täglich Neuigkeiten veröffentlicht werden.
Um meine „following“ auf Twitter effizient „verfolgen“ zu können, tue ich dies ebenfalls per RSS.
Über ein paar Tipps würde ich mich freuen.
marcel weiss says
Es gibt zur Nutzung von Twitter kein Geheimnis. Es kommt darauf an, was man damit erreichen will. Will man Reichweite gewinnen, rate ich eher dazu, die Energie auf's Blog zu konzentrieren.
Zwei Linktipps:
Mit http://twitterfeed.com/ kann man Blogposts automatisch auf Twitter einspeisen. http://www.twitip.com/ ist ein englisches Blog zum Thema der Nutzung von Twitter
ymotux says
Stimmt ja alles so. Allerdings bin ich zum Beispiel froh darum, dass sich all das belanglose Zeugs nun eher in Twitter, denn in den Blogs sammelt. Da bleiben mir mehr Resourcen für wirklich relevante Blogeinträge (wie diesen hier z. B.)